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Foto: UEC/Sprintcycling

Silber lässt Wafler von Goldener Zukunft träumen

Tim Wafler hat einen schweren Weg hinter sich. Mit dem zweiten Platz beim Scratch der U23 Athleten am Freitagabend bei der Rad-EM in Portugal schaffte der 20-jährige Wiener einen Befreiungsschlag. Wie er zum Radsport gekommen ist, was ihn durch dunkle Stunden der letzten Jahre hat weitermachen lassen und welche Ziele er anpeilt, hat er uns einen Tag nach dem Erfolg verraten.

Wie geht es dir heute einen Tag nach der Medaille im Scratch?

Ich bin erst relativ spät eingeschlafen, konnte nicht so gut schlafen, aber es geht mir natürlich sehr gut nach dem gestrigen Ergebnis. Ich bin nicht mehr wirklich zum Ausfahren gekommen und habe trotzdem heute sehr gute Beine gehabt beim Training. Die Medaille beflügelt natürlich.

Fasse für uns den gestrigen Tag noch einmal zusammen. Hast du in der Früh schon gewusst, dass die Zeichen gut für dich stehen?

Ich bin recht früh aufgestanden und auch früh, bei noch niedrigeren Temperaturen trainieren gewesen und habe dort schon gemerkt, dass die Beine sehr gut sind. Ich konnte dort auch die Zweitbeste Maximalleistung des Jahres fahren und habe gewusst es sollte alles angerichtet sein.

Die Platzierung hätte ich natürlich nicht erwartet, aber ich habe gewusst, wenn alles zusammenpasst, ist vieles möglich. Der Rennverlauf war auch ganz anders als ich es mir gedacht hätte. Deshalb war es für mich noch überraschender.

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Was ist dir durch den Kopf gegangen als du als Zweiter über die Ziellinie gefahren bist?

Im ersten Moment war ich schon ein bisschen genervt, dass der Brite noch vor mir ins Ziel gekommen ist. Da bin ich dann doch sehr ehrgeizig (lacht). Gleich danach, als ich wieder genug Sauerstoff in der Lunge hatte, konnte ich es gar nicht glauben. Denn das Ziel wäre Top acht bzw. wenn es gut läuft, Top sechs gewesen. Natürlich erhofft man sich eine Medaille oder auch mehr. Drei Runden vor Schluss wusste ich dann, dass der fünfte Platz abgesichert ist. Dann habe ich einfach geschaut was noch drinnen ist. Die anderen waren dann zum Glück schon müder als ich und so ist der zweite Platz wirklich wunderschön.

Blicken wir ein paar Jahre zurück zu deinen Anfängen im Radsport. Wie bist du dazu gekommen?

Mein Papa hat professionellen Radsport betrieben und deshalb wurde es mir quasi in die Wiege gelegt. Ich war von Anfang an dabei bei den Rennen und fasziniert von diesem Sport. Ich bin mein aller erstes Rennen mit ca. drei Jahren am selben Tag gefahren, als mein Papa das letzte bestritten hat. Ich fuhr ein Rad gerade so eine Stufe über dem Laufrad (lacht). Auf alle Fälle eines der kleinsten, die es überhaupt gab. So bin ich in die Radsportwelt eingetaucht.

Professionell zu trainieren habe ich erst deutlich später angefangen. Mit elf, zwölf Jahren bemerkte ich, dass ich schon ein gewisses Talent für den Sport besitze. Aber bis 15 ging es mir mehr um die Gaudi und ich hab so langsam versucht das Training zu steigern. Richtig professionell wurde es dann eben mit 15, als ich in die Sportschule gekommen bin.

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Welche Vorbilder hast du abgesehen vom eigenen Vater?

Natürlich schaut man zum eigenen Papa auf, aber den habe ich dann live nicht mehr wirklich erlebt. Deshalb suchte ich mir früh die großen Profis als Vorbilder. Als ich noch jünger war und began allein zu trainieren, spielte ich mir im Kopf Rennen durch. Da waren natürlich die großen Sprinter, wie Mark Cavendish, André Greipel oder Marcel Kittel sehr präsent. Cavendish hat für mich den Bahnradsport Salonfähig gemacht.

Du hattest einen langen Leidensweg hinter dir. Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass irgendwas mit dem Körper nicht stimmt?

Das Jahr 2019, mein erstes Juniorjahr war ein Traum. Es war ein richtiger Höhenflug. Ich habe bei den Staatsmeisterschaften und auch bei der EM einiges gewonnen und den größten Erfolg bis dahin mit dem vierten Platz im Omnium bei der WM feiern dürfen. Am Ende der Pause bekam ich eine eitrige Angina. Das wurde dann leider sehr schlecht behandelt. Ich habe von einem Antibiotikum ein Arzneimittelexanthem bekommen. Ich war dann auch im Krankenhaus und die Ärzte haben anschließend die Diagnose Pfeiffersches Drüsenfieber gestellt. So musste ich das Training für drei Monate gänzlich einstellen.

Nur langsam konnte ich wieder ins Training einsteigen, war auch wieder auf Trainingslager mit dabei. Zurück in Wien habe ich dann plötzlich vom einen auf den anderen Tritt das Gefühl gehabt, das gar nichts mehr geht. Es hat sich ein bisschen angefühlt wie ein Hungerast, aber ich habe sofort gewusst irgendetwas stimmt nicht. Den ganzen Sommer über versuchte ich immer wieder Sport zu machen. Aber nach einer Stunde locker fahren ist jedes Mal eine ganz schlechte Art von Erschöpfung eingetreten.

Das ging dann ein ganzes Jahr so weiter. Gemeinsam mit dem Nationalteam, Christopher Peprnicek und einem Spezialarzt habe ich meine Ernährung umgestellt. Ich habe auf Milchprodukte, Gluten verzichtet und auch Nahrungsergänzungsmittel zu mir genommen. Und so ist es langsam aber sicher immer besser geworden. Letztes Jahr im Mai merkte ich dann, dass das Training wieder besser funktioniert. Meine Mama hat mich da auch sehr unterstützt, beim Umstieg der Ernährung und das ich zur rechten Zeit das nehme was ich brauche.

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Welchen Anteil hat die Familie am Weg zurück?

Einen sehr Großen. Mein Papa, der auch mein Trainer ist, hat nie die Nerven weggeworfen und mir immer die nötige Zeit gegeben wieder richtig gesund zu werden. Sie haben mich alle unterstützt und immer Kraft gegeben. Mit meiner Sportpsychologin Judith Draxler habe ich in dieser Zeit intensiv gearbeitet. Denn im zweiten Jahr bei den Junioren hätte man sich schon einiges erwarten können. Keine Rennen zu fahren war schon sehr schwierig für mich. Und auch meine Freundin, die ich davor schon kennen gelernt habe, hat einen großen Anteil daran.

Vom Schlechten zum Guten. Welche Ziele hast du nach diesem zweiten Platz für die Saison aber auch darüber hinaus?

Ich habe immer große Ziele und es ist schon ein Privileg, dass ich jetzt so früh wieder so weit denken kann. Die EM der allgemeinen Klasse in München ist ein Ziel. Dort möchte ich im Scratch mit dabei sein. Die WM in Paris wäre ein weiteres Ziel. Das wichtigste ist jedoch weiter konstant gut trainieren zu können, wie in den letzten acht Wochen. Denn dann weiß ich, dass alles aufgehen kann.

Nach zwei Zweiten Plätzen wäre es schon schön irgendwann einmal das Europameistertrikot überziehen zu können. Der ganz große Traum ist natürlich, wie von vielen Sportlern einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Hier in Anadia konzentriere ich mich jetzt auf das Omnium. Ein schwerer Bewerb über vier Rennen mit einem langen Punkterennen am Ende erwartet mich. Ich denke, dass auch hier einiges möglich ist.

Zum Abschluss. Welche Schlagzeile würdest du gerne einmal von dir lesen?

Da gibt es sicher sehr viele, aber „Olympiaqualifikation geschafft“ das wäre richtig cool oder „Hier ist das Trikot“. Denn einmal die Weltmeisterstreifen zu tragen wäre schon ein Traum. Aber man muss dann auch am Boden bleiben. Jetzt gilts konstant gut zu trainieren, weil das brauche ich noch. Die kleinen Ziele müssen zuerst erledigt werden und dann darf man ja noch weiter träumen.

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